Anna Politkovskaya      


Anna Politkovskaya wurde am 7. Oktober 2006 im Lift ihres Hauses erschossen.

«Oft werde ich gefragt: Warum schreibst du über diesen Krieg? Der Grund ist einfach: Wir sind Zeitzeugen/-innen dieses grausamen Konfliktes und werden letztendlich dafür Rede und Antwort stehen müssen.»

Anna Politkowskaja (geb. 1958) ist eine namhafte russische Journalistin. 1999 begann sie, als Sonderkorrespondentin der Zeitung "Novaya Gazeta" im Nordkaukasus zu arbeiten. Sie ist Autorin mehrerer Bücher über den Tschetschenien-Krieg. Anna setzt sich für die Menschenrechte tschetschenischer Flüchtlinge und derer, die aufgrund des Krieges zu leiden haben, ein. Sie deckt auch Korruptionsfälle unter hochrangigen Militärs in Tschetschenien auf. Für ihre journalistische Arbeit und ihre aktive Antikriegshaltung wurde sie mit mehreren russischen und internationalen Preisen ausgezeichnet.

 

2002, auf der Höhe des zweiten Tschetschenien-Krieges, flog Anna, die als Sonderkorrespondentin in der Konfliktzone eingesetzt war, mit russischen Offizieren im Hubschrauber zur Militärbasis der Föderativen Truppen in Khankala. An Bord war auch die Leiche eines russischen Soldaten, der kurz zuvor in einem Gefecht mit tschetschenischen Kämpfern getötet worden war. Auf seinem Ausweis sah Anna, dass der junge Mann aus der Chelyabinsk-Region kam und im selben Jahr - sogar im selben Monat - wie ihre Tochter geboren war. Ihr wurde klar, dass jeder Klassenkamerad ihrer Tochter an seiner Stelle dort liegen könnte. Der tote Körper lag im Gang und es erschien ihr extrem unmenschlich, dass ihn niemand zur Kenntnis nahm, um ihn trauerte oder das geringste Gefühl zeigte. Während des gesamten Fluges weinte Anna leise um den jungen Mann, den sie nie gekannt hatte. Die vom Krieg verhärteten Offiziere machten sich über ihre Tränen lustig. Sie kehrten von der Vedensky-Region, der gefährlichsten Tschetscheniens, zurück und Anna wusste, dass ein Einsatz dort gewöhnlich als Strafe für Offiziere verhängt wurde, die ihre Soldaten geschlagen oder Zivilisten/-innen getötet hatten.
Nicht nur persönliche Tragödien und Todesfälle haben Narben bei Anna hinterlassen. Das Schrecklichste, das sie in Tschetschenien sah, war die Exhumierung von Massengräbern, auf die die lokale Bevölkerung von Zeit zu Zeit stießen. Die Massenmorde wurden nie kriminalistisch oder forensisch untersucht, so dass es üblich war, dass unabhängige Beobachter/-innen den Exhumierungen beiwohnten. Tschetschenische Frauen, die hofften, ihre Männer oder Kinder unter den Leichenbergen zu finden, hatten Anna wiederholt gebeten, als Zeugin anwesend zu sein. Sie hat nie abgelehnt, weil sie wusste, keine Entschuldigung würde je ihr Gewissen beruhigen können. Anna hat immer eine starke persönliche Verantwortung für ihr Land und seine Leute gespürt.

 

Als Journalistin informiert Anna Politkowskaja die Öffentlichkeit über den russisch-tschetschenischen Krieg. In ihren Artikeln und Büchern deckt sie nicht nur Fälle von Menschenrechtsverletzungen an tschetschenischen Zivilisten/-innen auf, sondern dokumentiert auch die weit verbreitete Korruption unter hochrangigen russischen Offizieren.

 

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Kapitel: Justiz