Indrani Sinha

«Als ich 1989 anfing, hatte ich keine Vorbilder, von denen ich lernen konnte. Deshalb lernte ich von den Frauen in den Rotlichtvierteln, indem ich ihren Bedürfnissen zuhörte.»

Sanlaap (Dialog)

 

Als eine Studie über sexuell misshandelte Kinder Indrani Sinha (geboren 1950) in die Bordellviertel von Kalkutta führte, erschütterte das Leben der Frauen sie bis ins Mark. Von da an haben sie und die von ihr gegründete Organisation Sanlaap (Dialog) daran gearbeitet, Stigmata zu beseitigen und Prostituierte und ihre Kinder in das Zentrum der Gesellschaft zu integrieren. Während der Aufbau von sicheren Heimen und die Motivierung von Regierungsbehörden wichtige Gewinne waren, ist Indranis größter Triumph das erfüllte Leben, das die Frauen in den Sanlaap-Heimen oder später ausserhalb führen.

 

Indrani Sinha begann ihre Karriere als Lehrerin, aber bemerkte bald, dass ihr Interesse im Entwicklungssektor lag. Eine Studie, die sie über sexuell missbrauchte Mädchen durchführte, brachte sie in Kalkuttas berüchtigte Bordellviertel und Vororte, wo sie Hunderte von Frauen und Mädchen traf. Ihre Geschichten darüber, wie sie durch Täuschung in die Prostitution gelockt wurden, ihre schlechte gesundheitliche Verfassung und die von ihnen erlittene Folter rüttelten Indrani auf. 1987 gründete sie Sanlaap, ein Anti-Menschenhandelszentrum, das sich darauf konzentriert, gerettete Mädchen und Frauen in die Gesellschaft zu reintegrieren. Ihre wirtschaftliche Rehabilitation beinhaltet Berufsausbildung, Vermittlung von Fertigkeiten und die Zusammenarbeit mit dem Unternehmenssektor für Arbeitsplätze, Freiwillige, Programme und Beschäftigung im etablierten Sektor. Die Sanlaap-Notunterkünfte bieten auch HIV-positiven Mädchen Unterkunft, von denen viele nicht in staatlich geführten Heimen unterkommen.
Indranis wichtigste Strategie ist die Zusammenarbeit. Sanlaap hat schon beachtliche und beachtete Siege gegen das System errungen: Das Engagement des Teams hat nach und nach die Apathie der Justiz, der Polizei, der Jugend in den Rotlichtvierteln und der Verwaltung aus dem Weg geschaufelt. Ein Regierungsbeamter sagt: "Wir sind voneinander abhängig. Sanlaap löst viele Probleme, die Regierungsbehörden nicht lösen können.“ Doch das Sanlaap-Team und Indrani selbst schweben in beträchtlicher persönlicher Gefahr durch die mächtige Prostitutionsmafia: Die Verbindung von Politikern, Polizei und Menschenhändlern ist besonders böswillig. Die Kluft im NGO-Sektor zum Thema Legalisierung der Prostitution hat auch seinen Tribut von Sanlaap gefordert. Aber Indrani ist relativ zufrieden. Die mehr als 600 Mädchen, die seit 1989 in die Sanlaap-Heime gekommen sind, führen ein produktives und gutes Leben.

 

In den achtziger Jahren waren Menschenhandel mit Frauen und Prostitution Tabuthemen. Die Frauen in der Prostitution wurden von einer Verbindung zwischen Beamten und Zuhältern und einer unempfänglichen Justiz schikaniert. Das Stigma der Sexarbeit war so extrem, dass diese Frauen nicht einmal ihre Kinder zur Schule schicken konnten.

 

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Kapitel: Gewalt gegen Frauen