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Editorials
Liebe Leserinnen und Leser,
Nun gibt es das Buch „1000 PeaceWomen Across the Globe“ in Deutsch neben vielen Teilübersetzungen, z.B. in Chinesisch, Japanisch, Nepalisch, Portugiesisch, Spanisch oder Arabisch. Diese Übersetzung hat das Frauennetzwerk für Frieden, Deutschland, in Zusammenarbeit mit einem engagierten Übersetzungsteam und vielen Spenderinnen und Spendern möglich gemacht. Als Initiantin des Projektes „1000 Frauen für den Friedensnobelpreis 2005“ bedanke ich mich sehr herzlich bei allen Personen, Organisationen und Geldgebern, die an dieser grossen und anspruchsvollen Arbeit beteiligt waren.
Es ist bekannt, dass die 1000 nominierten Frauen den Friedensnobelpreis 2005 leider nicht erhalten haben. Aber eines der wesentlichen Ziele der Initiative wurde dennoch erreicht: Dank der Ausstellung über die FriedensFrauen, die bereits Hunderte Male in allen Kontinenten gezeigt wurde, dank des Buches und der verschiedenen Filme, unter anderem „1000 Frauen und ein Traum“, sind die FriedensFrauen weltweit ein bisschen sichtbarer geworden.
Im Jahr 2005 wollte der Trägerverein in der Schweiz das Projekt eigentlich abschliessen. Dazu kam es jedoch nicht. Zahlreiche Anfragen, die Aufforderungen, weiter zu arbeiten und die Dringlichkeit, das Wissen und die Kompetenzen von FriedensFrauen weltweit zu nutzen, veranlasste uns, das „alte“ Projekt auf neue Ziele auszurichten.
Drei Bereiche haben ein besonderes Gewicht:
Die Sichtbarkeit: Hunderttausende mutige FriedensFrauen leisten in ihren Dörfern und Regionen unverzichtbare Friedensarbeit. Sie sind oft gefährdet und werden verfolgt - wie Anonyma -, einige sind im Gefängnis, andere wurden ermordet – wie Anna Politkowskaja! Trotzdem geben die Frauen nicht auf, weil Friede sonst keine Chance hat.
Die Vernetzung: Viele FriedensFrauen an vielen Orten sind mit Friedensarbeit beschäftigt: Sie wollen Friede in Pakistan, Kolumbien, im Irak und in Palästina. Sie fordern die Einhaltung der Menschenrechte in Russland, Serbien, Burma und Amerika. Sie setzen sich für Minderheiten ein in Kosovo, China und in der Türkei. Die Frauen kennen sich nicht und können von den gegenseitigen Erfahrungen nicht profitieren. Um dies zu ändern, sollen im weiterführenden Projekt Wege für eine stärkere gegenseitige Vernetzung gefunden werden.
Die Expertise: Das Wissen, die Erfahrungen und die Kompetenzen der FriedensFrauen sind kostbar und unersetzlich. Daher muss immer wieder konsequent gefordert werden, dass Frauen gleichberechtigt an den Verhandlungstischen sitzen und mitbestimmen, wenn es um Friede geht, wie dies auch die UNO-Resolution 1325 dringend einfordert.
Ich wünsche dem Internet-Buch eine gute Reise und viele Leserinnen und Leser! Die Geschichten der FriedensFrauen sollen uns nicht nur nachdenklich, sondern auch Mut machen! Und Mut brauchen wir überall in unserer von Kriegen, Krisen und Ungerechtigkeiten zerrissenen Welt.
Ihre Ruth-Gaby Vermot-Mangold
Präsidentin „FriedensFrauen Weltweit“
Micheline Calmy-Rey: " Ich will von den 1000 FriedensFrauen lernen“
Ein Interview mit der Schweizer Bundesrätin Micheline Calmy-Rey, Vorsteherin
des Eidgenössischen Departments für auswärtige Angelegenheiten
1000 Frauen für den Friedensnobelpreis vorzuschlagen, das ist eine kühne Idee. Eine der Ersten, bei der das Projekt auf offene Ohren stieß, war die Schweizer Außenministerin Micheline Calmy-Rey. Sie hat es von Anfang an ideell mitgetragen und mit einem wichtigen finanziellen Beitrag ihres Departements unterstützt. Im Gespräch erklärt sie, warum und welche Hoffnungen und Erwartungen sie damit verbindet. Zwei Aussagen prägen ihre Haltung: Sie hält Frieden für möglich und sie will als Politikerin und Mitglied einer Regierung von den 1000 FriedensFrauen lernen.
Was dachten Sie, als Sie zum ersten Mal davon hörten, dass 1000 Frauen den Friedensnobelpreis 2005 bekommen sollten?
Ich habe mich sehr gefreut, dass das Friedensengagement von Frauen ins Licht gerückt werden soll. Auf meinen bisherigen Reisen habe ich viele mutige Frauen getroffen, die diesen Preis verdient hätten. Ich bin überzeugt, dass Frauen aufgrund ihrer unterschiedlichen Erfahrungen und Rollen andere wichtige soziale und politische Sichtweisen in Friedensprozesse einbringen, ohne die wir keine erfolgreiche und nachhaltige Friedenspolitik machen können. Die Nobelpreisinitiative macht das Potenzial der Frauen für Frieden und Sicherheit sichtbar.
Und was gefällt Ihnen am "1000 PeaceWomen"-Projekt?
Ich habe großen Respekt vor der Arbeit der Initiatorinnen, die mit einem kleinen Team ein weltumspannendes Netzwerk geschaffen haben. Dieser zivilgesellschaftliche Ansatz entspricht meiner Überzeugung. Friedensprozesse müssen breit abgestützt sein und von der Zivilgesellschaft getragen werden. Dann können sie nachhaltig erfolgreich sein. Ich erachte dieses Projekt als ein überzeugendes Beispiel und Modell für eine zielorientierte Vernetzungsarbeit. Die Unterstützung meines Ministeriums gilt insbesondere dieser Vernetzungsidee. Dass das Projekt das Friedensförderungspotenzial von Frauen sichtbar machen will, gefällt mir. Das ist ein Aspekt, dem auch in der schweizerischen Friedenspolitik Priorität eingeräumt wird. Um dem Vernetzungsgedanken Nachhaltigkeit zu verschaffen, unterstützt die Schweiz den Aufbau einer interaktiven Internetplattform, auf der sich die FriedensFrauen virtuell treffen können.
Wie bewerten Sie die Arbeit dieser 1000 Frauen?
Ein Blick auf die Biografien dieser Frauen zeigt, wie sehr ihr Friedensengagement in der Realität verwurzelt und durch pragmatisches Handeln ausgezeichnet ist. Diese Fähigkeit, Gräben eher zu überwinden - das ist es, was mich an den FriedensFrauen so sehr beeindruckt. Und auch ihre Bereitschaft, Brücken zu bauen. So boten etwa in Srebrenica die Mütter der ermordeten Kinder den Müttern der Täter die Friedenstaube dar. Eine weitere Stärke der Friedensarbeit dieser Frauen ist, dass sie gezielt Netzwerke bilden und dass sie interethnische und interreligiöse Dialogprozesse in Gang bringen. Es war der Wille nach einem gemeinsamen Ausweg aus den bewaffneten Auseinandersetzungen, der bei den Frauen aus Sierra Leone, Liberia und Guinea im Mittelpunkt stand und der dann auch entscheidend dazu beitrug, die Kriegsparteien an den Verhandlungstisch zu bringen. Ich hoffe, dass diese Friedensnobelpreisinitiative all den Frauen, die hinter diesen Biografien stehen, Kraft und Unterstützung verleiht für ihr weiteres Engagement für Frieden, Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit in ihren Heimatländern.
"Frauen fühlen sich verantwortlich“, sagen die Initiatorinnen des "1000 PeaceWomen"-Projektes. Fühlen Sie sich auch verantwortlich?
Ja. Als Politikerin und Außenministerin meines Landes empfinde ich ein großes Verantwortungsgefühl gegenüber dem Volk und all jenen, die mir ihr Vertrauen geschenkt haben.
Viele dieser Frauen arbeiten alleine oder in kleinen und kleinsten Organisationen, Netzwerken und Zusammenhängen. Sie sind eine Außenministerin. Was können Sie als Außenministerin auf Ihrer Ebene tun?
Der Beitrag zu einem friedlichen Zusammenleben der Völker ist eines der zentralen Ziele der Außenpolitik der Schweiz. Die Welt ist ungeteilt. Die Interessen anderer Länder sind auch die Unsrigen. Wenn anderswo Armut oder Unruhe herrschen, spüren wir die Auswirkungen auch bei uns. Der beste Weg, die Auswirkungen eines Konfliktes zu vermeiden, ist, diesem vorzubeugen; zu verhindern, dass er ausbricht. Im Rahmen unserer zivilen Friedens- und Menschenrechtsförderung arbeiten wir bewusst zu einem substanziellen Teil mit engagierten und kenntnisreichen Organisationen der Zivilgesellschaft zusammen und unterstützen diese auch finanziell. Erfolgreiche Friedensförderung setzt die Zusammenarbeit von staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren voraus.
Welchen Schwierigkeiten begegnen Frauen, die sich auf Regierungsebene engagieren?
Wie in allen Bereichen sind Frauen in Konfliktregionen auch in den Friedensprozessen auf den höchsten politischen Ebenen unterrepräsentiert. Wir unterstützen deshalb alle Bemühungen, dass Frauen sich in Verhandlungsprozessen aktiv engagieren können. Zudem ist es, wie gesagt, zentral, dass Friedensprozesse so umfassend und partizipatorisch wie möglich verlaufen, d.h., dass auch die Zivilgesellschaft mit einbezogen wird. Damit wird auch das Einbringen von Frauenerfahrungen und Fraueninteressen gefördert.
Bertha von Suttner, die erste Frau, die den Friedensnobelpreis bekam, sagte: "Nieder mit den Waffen“. Das ist 100 Jahre her. Warum ist es nicht möglich?
Dies ist möglich. Europa war während vieler Jahrhunderte ein Kriegsschauplatz, blieb aber nun seit bereits 60 Jahren vom Krieg verschont. Es ist unsere Verpflichtung, aber auch unser eigenes Interesse, dazu beizutragen, dass dies auch in anderen Erdteilen gilt. Zum Beispiel tragen wir mit den "soft power"-Instrumenten der zivilen Friedensförderung, den sogenannten "weichen“ Instrumenten, dazu bei, dass Konflikte transformiert werden, das heißt, dass deren Austragung statt mit Waffen durch Verhandlungen geschieht.
Welches ist Ihre persönliche Friedensvision?
In Frieden leben heißt, in menschlicher Sicherheit und ohne Furcht, d.h. sicher vor Gewalt und Menschenrechtsverletzungen leben und seine Entwicklungsmöglichkeiten auf gerechte Art wahrnehmen zu können. Frieden ist ein Prozess, in dem Konflikte immer mehr mit Verhandlungen und immer weniger mit Gewalt ausgetragen werden.
Was ist Ihr Bekenntnis zur Friedenspolitik?
Mit einer glaubwürdigen Politik der Friedensförderung trägt die Schweiz zur Stabilität und Sicherheit in Krisengebieten bei. Gleichzeitig unterstreicht sie damit die große Bedeutung, welche sie der partnerschaftlichen Zusammenarbeit innerhalb der Staatengemeinschaft einräumt. Friedenspolitik ist nicht nur eine ethische Verpflichtung, sondern auch ein wichtiges Instrument zur Interessenwahrung unseres Landes.
Das Projekt "1000 PeaceWomen" will die Friedensarbeit von Frauen nicht nur sichtbar machen, sondern sie auch erforschen. Die Resultate der Wissenschaftlerinnen sollen später an die Regierungen zurückgehen. Glauben Sie, dass Regierungen von den 1000 Frauen lernen können?
Ja, aber sie müssen willig und in der Lage sein, von anderen zu lernen. Wichtig scheint mir der Wille, eine Evaluation der Friedensarbeit vorzunehmen und noch mehr, dass sich die Regierungen bemühen, die "lessons learnt“, die Erfahrungen auch umzusetzen.
Und wenn ja: Was könnten sie lernen? Und was nicht?
Mir scheint, dass nicht nur Regierungen, sondern auch Parlamentarier und vor allem Parlamentarierinnen einen interessierten Blick auf diese Initiative und das Friedenspotenzial von Frauen richten sollten. Diese Thematik bietet sich doch auch an, um über Parteigrenzen hinweg die Solidarität unter den Frauen zu stärken. Mit diesem Gedanken habe ich letztes Jahr die sogenannten "marrainage-Projekte" initiiert, denen sich mittlerweile schon über 40 Schweizer Parlamentarierinnen angeschlossen haben. Sie werden dieses und nächstes Jahr die Frauenorganisationen, die mein Departement in Kolumbien, Bosnien und Herzegowina und Pakistan unterstützt, besuchen.
Glauben Sie, dass Regierungen von den 1000 Frauen lernen wollen?
Ich kann nur für mich als einzelnes Regierungsmitglied sprechen. Ich jedenfalls will von den 1000 Frauen lernen.
Und können Sie als Mitglied einer Regierung etwas beitragen?
Ja, mit einer finanziellen und moralischen Unterstützung. Außerdem, wenn ich nicht davon überzeugt wäre, einen wichtigen Beitrag innerhalb des Regierungsgremiums der Schweiz leisten zu können, wäre ich nicht in der Regierung.
Der Mainstream der heutigen Politik produziert keinen Frieden. Über 100 Konflikte bestehen weltweit. Wie kommen wir weiter?
Glücklicherweise ist die Lage manchmal auch besser, als man aufgrund der Medienberichte denken könnte. Der 2005 erschienende "Human Security Report“, der Bericht zur Menschlichen Sicherheit, zeigt, dass die Zahl der Opfer von Gewaltkonflikten und Menschenrechtsverletzungen in den letzten zehn Jahren spürbar abgenommen hat. Dies dank dem Ende des Ost-West-Konfliktes und dank der erfolgreichen Friedensmissionen der UNO. Unsere Bemühungen zeigen also einige Resultate. Diese Erkenntnisse geben mir Zuversicht, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Aber es gibt noch viel zu tun!
Welches sind Ihre persönlichen Frauenanliegen?
Die Sicherheit und das Wohlbefinden der Schweizerinnen und Schweizer zu gewährleisten, ist ein Ziel unserer Außenpolitik. Das liegt mir ganz besonders am Herzen. Selbstverständlich setze ich mich mit Energie für die Anliegen der Frauen ein – in der Schweiz und auch in der Welt. Ich lege viel Wert darauf, dass die Entwicklungs- und Friedensförderungspolitik der Schweiz vom Gender-Mainstreaming durchzogen ist. Es gibt keine sozialen, kulturellen oder religiösen Faktoren, die Verstöße gegen die Menschenrechte von Frauen rechtfertigen. Gemeinsam mit meinen Außenministeriums- Kolleginnen haben wir am Rande der UNO-Generalversammlung in New York im Herbst 2003 ein informelles Netzwerk geschaffen, das sich für das Einhalten der Menschenrechte von Frauen einsetzt. Wir haben uns seither schon dreimal getroffen, um gemeinsame Handlungskonzepte zu entwickeln, die sich mit Gewalt gegen Frauen sowie Frauenhandel befassen.
Wie sind Sie selber sensibilisiert worden? Was haben Sie erlebt?
Ich habe das erlebt, was alle Frauen in einem Land wie die Schweiz erleben: Schwierigkeiten, Familienleben und Berufsleben in Übereinstimmung zu bringen; Schwierigkeiten, sich als Frau in der Arbeit durchzusetzen, die Verantwortung für die Familie. In diesem Sinne nehme ich auch die Wichtigkeit der Rolle der Frauen in der Armutsbekämpfung und der Lösung der Konflikte wahr. Ihr Engagement sowie dessen Anerkennung sind sehr wichtig.
Inwiefern findet Ihr Friedensbekenntnis in Ihrer Außenpolitik Platz?
Der Einsatz für den Frieden ist eine der zentralen Anliegen unserer Außenpolitik. Die eidgenössischen Räte haben in der Vergangenheit immer wieder betont, dass sie einem glaubwürdigen Engagement der Schweiz in diesem Bereich größte Bedeutung beimessen. Es gibt wenige Politkbereiche, in denen sich mit relativ bescheidenen Mitteln derart positive Wirkungen erzielen lassen. Ich werde mich daher mit allen Mitteln dafür einsetzen, den Stellenwert der Friedenspolitik in unserem Land weiter zu erhöhen. Ich bin auch froh, dass mich die Bürgerinnen und Bürger in Gesprächen jeweils in meinem Standpunkt bestärken, dass dies im ureigensten Interesse unseres Landes liegt.
Woran glauben Sie?
Ich glaube an die Menschen und an ihre Fähigkeit, Lösungen zu finden.
Haben Sie Vertrauen in die Zukunft? Warum?
Ja, sonst wäre ich nicht da, wo ich bin.
Interview: Christine Loriol
Christine Loriol (*1960) ist Journalistin. Sie lebt und arbeitet in der Schweiz.
Tagebuch des Projektes – aus der Sicht der Geschäftsstelle
Januar 2003 – 1000 Frauen für den Friedensnobelpreis 2005. In einem alten Hotel in den Schweizer Bergen - draußen schneit es ununterbrochen - tippt Maren Haartje das erste Konzept für das Projekt "1000 Frauen für den Friedensnobelpreis 2005" in den Laptop. Die Arbeit kann beginnen. Zuerst braucht die Idee ein Logo. In einer interkulturellen Frauenrunde werden Vorschläge diskutiert und verworfen. Eine 1 mit drei Nullen ist naheliegend, eine Null als Globus abstrahiert, eine weitere als Peace-Zeichen, das wir aus den 1960er Jahren kennen, und eine Null mit dem Kreuz darunter – das Zeichen für "weiblich" aus der Astrologie. Das Peace-Zeichen werde in Teilen Asiens mit US-Imperialismus gleichgesetzt, heißt es; das Kreuz sei ein christliches Zeichen und überhaupt sei das Zeichen für weiblich im arabischen Raum nicht sehr bekannt, werden wir aufgeklärt. Andere Vorschläge wie die Friedenstaube oder den Olivenbaumzweig möchten wir nicht und auch nicht eine Mutter mit Kind. Frauenköpfe gefallen allen, aber nicht nur zwei und nicht schwarz und weiß und keine typischen Physiognomien. Unsere Grafikerin Jenny Leibundgut macht Vorschläge, der Globus verwandelt sich in eine schräge Ellipse mit drei farbigen weiblichen Profilen und der 1000 auf orangefarbigem Hintergrund. Endlich stimmen alle zu; wir haben das Logo, das 1000 Frauen weltweit symbolisiert. Danach wird der Projekttitel "1000 Frauen für den Friedensnobelpreis 2005“ und die Kurzbeschreibung des Projekts in dreizehn Sprachen übersetzt.
März 2003 – Im winzigen Büro unter dem Dach von Swisspeace, der Schweizerischen Friedensstiftung, stehen zwei Computer, zwei Telefone, ein Regal und leere orangenfarbige Ordner. Vor uns liegt das Konzept für ein globales Projekt mit den drei Schwerpunkten: Friedensnobelpreis, Dokumentation, Wissenschaft. An Ideen mangelt es nicht, aber wir sind uns bewusst, dass wir Schweizerinnen – der Vorstand und die Geschäftsstelle - ein solches Projekt nicht alleine durchführen können. Wie sollen wir "FriedensFrauen" kontaktieren, finden, einschätzen, wenn diese aus Turkmenistan, Sri Lanka, Vanuatu, China, Guatemala, Russland, Island, Okinawa und weiteren Ländern kommen? Wir brauchen Hilfe aus verschiedenen Weltregionen - gelingt es uns, regional vernetzte Expertinnen zu begeistern, die aufgrund ihrer langen Arbeit in den Bereichen Frauenrechte, Frieden und Entwicklung mit den gesellschaftspolitischen Verhältnissen bestens vertraut sind? Wir fragen zuerst bei Frauen aus unseren eigenen langjährigen Friedensnetzwerken an - und erhalten spontane Zusagen. Als Erste treffen wir Zainap Gaschaeva aus Tschetschenien; wird sie die Projektidee verstehen? Ja, sie ist dabei. Dann sprechen wir mit Vera Chirwa aus Malawi während ihres Besuches in Bern, auch sie ist begeistert. Margo Okazawa-Rey wird in Zürich gefragt und macht mit. Gleichzeitig beginnen wir mit der Gestaltung einer Datenbank und einer Webseite, erarbeiten ein Budget, sprechen mit potenziellen Geldgeberinnen und Geldgebern.
Mai 2003 – Das Koordinatorinnennetz wächst. Wir haben Fadila Memisevic aus Sarajevo gebeten, uns zu unterstützen, und Kamla Bhasin, Feministin der ersten Stunde aus Indien, für das Projekt gewonnen; die Ärztin und erste Frauenministerin Sima Samar aus Afghanistan und Marina Pikulina aus Usbekistan sagen zu. Nora Franco, Journalistin aus Argentinien, akzeptiert begeistert, Koordinatorin für Lateinamerika zu werden, und sie empfiehlt uns auch gleich Clara Charf aus Brasilien. Unsere Partnerinnen für die wissenschaftliche Begleitung finden wir mit Doris Wastl-Walter in der Universität Bern.
Juli 2003 – In unserem Büro füllen sich die Ordner mit Papieren. Korrespondenz mit den Koordinatorinnen und Sponsoringkonzepte, Informationen über mögliche 1000 Frauen und Finanzierungsgesuche. Das internationale Team wächst weiter: Nicci Simmonds aus Neuseeland wird uns empfohlen, Fatoumata Maiga aus Mali, Paulynn Sicam von den Philippinen und Cassandra Balchin, die guten Kontakte in den Maghreb pflegt, stoßen zum Team. Wir spüren die Verantwortung und wie schwierig es ist, für ein globales Friedensprojekt Geld zu finden. Gleichzeitig mangelt es nicht an Zeichen von Solidarität und Begeisterung. Es ist heiß in Bern. Auf der Dachterrasse erarbeiten wir mit Andrea Kofler und Anja Sieber von der Universität Bern eine Friedensdefinition, die weltweit und interkulturell akzeptiert werden kann. Sie soll Grundlage der ersten gemeinsamen Diskussion mit den 13 Koordinatorinnen sein.
September 2003 – Eben ist unser erstes Koordinatorinnentreffen zu Ende gegangen. Geballte Frauenpower arbeitete in langen Tagen weiter am gemeinsamen Friedensverständnis, das sowohl von Clara Charf, der Brasilianerin, wie auch von Cassandra Balchin, der Engländerin, von Marina Pikulina aus Usbekistan und Kamla Bhasin aus Indien akzeptiert werden kann. Alle zwölf anwesenden Frauen sagen zu, dieses Projekt in ihren Regionen umzusetzen, trotz geringer Entschädigung und unvorhersehbarem Zeitaufwand. Aber wir haben auch eingesehen, dass wir noch mehr Koordinatorinnen brauchen. Ein Highlight ist im September auch der Besuch beim Direktor des Nobel-Institutes in Oslo, der unser Projekt interessant findet und uns zur Weiterarbeit ermutigt.
November 2003 – Der Fahrplan steht, die Koordinatorinnen lancieren das Projekt in ihren Weltregionen und brauchen Unterstützung, die nur die Geschäftsstelle leisten kann. Oft fällt es nämlich den lokalen Partnerinnen und Partnern schwer zu glauben, dass jemand ein solch verrücktes Projekt initiiert hat. Rebecca Vermot fliegt in vier Wochen um die ganze Welt, besucht neben unzähligen Organisationen und Parlamentsmitgliedern in verschiedenen Ländern auch die Ko-Koordinatorinnen, in Fidschi Sandy Fong und Paulynn Sicam und Karen Tanada in den Philippinen. Sie fliegt nach Hongkong, um Kin Chi Lau für das Projekt zu gewinnen, denn ihr asienweites Netzwerk ist auch in China stark. Noch fehlt eine Frau, die uns mit der Mekong-Region hilft. In Bangkok sagt schließlich Kratae Supawadee zu – nach reiflicher Überlegung. Maren Haartje reist nach Sarajevo, um mit Fadila Memisevic die verschiedenen Arbeitsschritte und mögliche Schwierigkeiten zu diskutieren.
Januar 2004 – Während Rebecca Vermot in Mali Fatoumata Maiga bei der Lancierung des Projekts unterstützt, laufen in Bern die Vorbereitungen für das zweite Koordinatorinnentreffen. Wir müssen ein Nominationsformular erarbeiten, das weltweit verteilt werden kann. Es muss einfach und verständlich, gleichzeitig aber umfassend sein. Neben biografischen Angaben muss die Arbeit einer Frau, die nominiert werden soll, ausführlich beschrieben und mit zwei Referenzen bestätigt werden. Das Koordinatorinnenteam ist nun fast vollständig, denn Asha Elkarib aus dem Sudan, Cecile Mukarubuga aus Kenia und Aida Abu Ras aus Jordanien sind dazugekommen, auch die wissenschaftliche Gruppe vergrößert sich, Medienwissenschaftlerinnen von der Universität Klagenfurt steigen ein. Regula Küng kommt als Assistentin in die Geschäftsstelle in Bern.
März 2004 – Das Nominationsformular, das die Koordinatorinnen bei ihrem zweiten Treffen fertiggestellt haben, wird verschickt. Wir kontaktieren Netzwerke rund um die Welt, versenden es per E-Mail, Post, Fax ... Als uns ein E-Mail aus Osttimor erreicht, wissen wir: Die Information hat die Runde um die Welt gemacht. Dalit-Frauen aus Nepal wünschen detailliertere Angaben und bald schon trifft der erste Vorschlag ein. Eine Frau aus Burkina Faso wurde nominiert. Welch eine Aufregung! Derweil spricht Rebecca Vermot in Neu-Delhi auf einer internationalen Feminismus-Konferenz und in Usbekistan vor Vertreterinnen und Vertretern von NGOs, um die Idee der "1000 Frauen für den Friedensnobelpreis 2005" zu erklären und sie zu Nominierungen zu bewegen.
Mai 2004 – Nach wie vor fließt das Geld nur spärlich. Doch die Idee einer symbolischen Friedensaktie über 1000 Schweizer Franken ist vielversprechend. Zuversichtlich lassen wir 1000 Stück drucken. Tag für Tag treffen jetzt Nominationen bei den Koordinatorinnen und in der kleinen Geschäftsstelle in Bern ein. Wir erweitern das Büro um ein Regal und zwei Dutzend Ordner, die Nachfragen häufen sich per Telefon, per E-Mail ... Der Tag dauert 24 Stunden wegen der Zeitzonen. Wir machen Lobbyarbeit, vermitteln, machen Fundraising in Deutschland und Österreich, stellen unser Projekt verschiedenen internationalen Organisationen vor. Maren Haartje reist nach Deutschland und Rebecca Vermot einmal mehr nach Afrika. In Kenia, Burundi und im Sudan trifft sie Frauen, die nominiert wurden. Begleitet wird sie von einem Filmteam von Offroad Reports, das einen Dokumentarfilm über das Projekt macht. In Malawi trifft sie Nomvuyo Skota Dayile, die künftig zusammen mit Vera Chirwa für das Südliche Afrika zuständig ist. In Israel unterstützen Mirit Balkan und in Palästina Faiha Abdulhadi das Projekt während der Nominationsphase.
Juli 2004 – Wir haben die Unterstützung von UNIFEM , UNDP und UNESCO in der Schweiz erhalten. Ein wunderbares Gefühl. Und in der 14 m² großen Geschäftsstelle herrscht das Chaos – es ist Nominationsschluss. Aus aller Welt treffen Bitten um Verlängerung der Frist ein. Der Briefkasten quillt über, die Faxmaschine steigt aus! Wohin mit all diesen Informationen? Sie müssen jeweils der zuständigen Koordinatorin zugesandt werden. Doch hat Fatoumata in Bamako weder Fax noch E-Mail, die Verbindungen in viele Teile dieser Welt sind oft schwierig.
September 2004 - Wieder steht ein Koordinatorinnentreffen an. Die Stimmung ist angespannt. Haben wir 1000 gute Vorschläge? Es sind über 2000 Nominationen eingegangen, doch sind wirklich auch alle gut? Erfüllen die Frauen unsere strengen Kriterien von Gewaltlosigkeit, Langfristigkeit, Transparenz und Fairness? Die Datenbank wird gefüllt, weltweit evaluieren regionale Beratungsgremien "ihre" Vorschläge und formulieren Empfehlungen. Maren Haartje reist nach Moskau und trifft sich mit Zainap Gaschajewa, Fadila Memisevic und Marina Pikulina, um die Nominationen aus den zusammenwachsenden Regionen der Russischen Föderation, aus Zentralasien, dem Balkan, Südosteuropa und Westeuropa zu bearbeiten. Sandy Fong aus Fidschi übernimmt die Verantwortung für Ozeanien und Anita Mir ersetzt Cassandra Balchin.
November 2004 – Wir haben noch keine 1000 Frauen, es fehlen noch einige Regionen und so beginnt die Suche erneut, denn wir alle haben ein Ziel vor Augen, das wir erreichen wollen. 1000 Frauen für den Friedensnobelpreis 2005 weltweit. Symbolisch sollen sie für die Millionen von Hoffnungsträgerinnen geehrt werden. Übrigens ist das Büro gewachsen, Barbara Mangold stößt zum Team und wir haben jetzt rund 20 m² und einen vierten Schreibtisch zu unserer Verfügung. Die wissenschaftliche Gruppe am Interdisziplinären Zentrum für Frauen- und Geschlechterforschung an der Universität Bern erhält einen internationalen Forschungskredit für die Auswertung der 1000 Nominationen – ein Glück!
Januar 2005 – Wir haben weit über 1000 Frauen, die wir gemeinsam für den Friedensnobelpreis nominieren können. Das internationale Projektteam tut sich schwer mit der Auswahl. Eine jede ist beeindruckend. Wir bereiten den Brief für das norwegische Nobelpreiskomitee vor und setzen alles daran, um die Nobelpreisjury zu überzeugen, dass es einmalig ist, 1000 Frauen gemeinsam mit dem Friedensnobelpreis zu ehren - weil Friede nie allein geschaffen werden kann, sondern im Dialog und in Zusammenarbeit mit anderen. Wir beginnen, uns Gedanken über die Nachhaltigkeit des Projektes über das Jahr 2005 hinaus zu machen.
März 2005 – Entspannt können wir das vierte Koordinatorinnentreffen vorbereiten. Es geht jetzt nicht mehr um Auswahl, Bewertung und schwierige Entscheide, sondern um die Sichtbarmachung der 1000 FriedensFrauen, um das Buch, die Ausstellung und – vor allem – die weltweite Bekanntgabe der 1000 Namen. Ein von vielen Seiten erwarteter Schritt. Wir wählen den 29. Juni, einen unspektakulären Tag, denn er ist weder Gedenk- noch religiöser Feiertag, kein Freitag oder Sonntag und es sind noch keine Ferien. Alle arbeiten am Buch: Die Koordinatorinnen beauftragen lokale Journalistinnen und Fotografinnen für die Porträts der Frauen aus ihren Regionen. Ein weltweites Editorinnenteam wird zusammengestellt. Ein neues Netzwerk aus Journalistinnen und Journalisten entsteht. Alle wollen wissen, wer die anderen 999 Frauen sind. Doch noch sind die Namen der anderen geheim.
Mai 2005 – 1000 Zusage- und 1000 Absagebriefe werden verschickt. Viele Frauen antworten, wir erhalten sehr berührende Briefe, einige sind enttäuscht, weil sie nicht zu den 1000 Frauen gehören. Die Medienkonferenzen werden vorbereitet und Hunderte von Fotos für das Buch und die Ausstellung werden sortiert. Übersetzerinnen und Editorinnen arbeiten auf Hochtouren, nicht alle Autorinnen haben sich an die Formatvorlagen gehalten. Die 1000 Frauen und ihre Arbeit werden uns immer vertrauter, zuerst die Nomination, dann der Text für das Buch, ein Foto, ein persönlicher Brief oder ein Telefongespräch. Wir sind überwältigt und wissen, wir haben das erste Ziel erreicht: Wir haben 1000 Frauen aus über 150 Ländern, die sich eindrücklich und einzigartig für Frieden und eine lebenswerte Zukunft engagieren. Wir haben sie für den Friedensnobelpreis 2005 nominiert und machen ihre Friedensarbeit in einem Buch und in einer Ausstellung sichtbar.
29. Juni 2005 – heute werden die Namen der 1000 FriedensFrauen in Medienkonferenzen weltweit bekannt gegeben. Rund um den Globus finden über 40 Pressekonferenzen statt und fast überall nehmen nominierte Frauen teil. Die Koordinatorinnen haben unterschiedlichste Konzepte für diesen Tag, aber sie können nicht an allen Orten sein. In einigen Ländern organisieren die Autorinnen der Biografien Medienkonferenzen, manche FriedensFrauen organisieren sich selbst. Sandy Fong ist die Erste, die in Fidschi die Namen bekannt gibt. Weiter geht es in Asien, dann Afrika und Europa. Weiter geht es in Brasilien und in den USA. Das Medienecho ist gut und das Projekt nun endgültig weltweit bekannt.
Juli 2005 - eine der hektischsten Zeiten des Projektes ist vorbei: Zeitgleich mussten die Medienkonferenzen vorbereitet, das Buch zusammengestellt und die Ausstellung konzipiert werden. Hunderte von Journalistinnen und Journalisten, Schriftstellerinnen und Schriftstellern, haben in den letzten Monaten die Texte verfasst. Dennoch fehlten Textteile, Angaben, Informationen, Zitate. Das Buch ist das Resultat eines unglaublichen Arbeitseinsatzes der Koordinatorinnen, aber auch von allen Editorinnen, die die Texte gegengelesen, korrigiert und überarbeitet haben. Ohne sie hätten wir es nicht geschafft. Unsere drei Telefone stehen nicht mehr still, mittlerweile können wir in vielen Sprachen Auskunft geben. Immer öfter taucht die Frage auf: wie weiter nach 2005? Das Projekt "1000 Frauen für den Friedensnobelpreis 2005" endet am 31. Dezember. Doch es geht weiter. Der Vorstand wird internationalisiert, der Fokus wird geändert - aber es geht weiter.
September 2005 – Wir stecken in den Vorbereitungen des fünften und letzten Koordinatorinnentreffens. Und wir bereiten uns auf den 14. Oktober vor. Wir haben beschlossen, dass wir diesen Tag feiern, unabhängig davon, ob die Frauen mit dem Friedensnobelpreis geehrt werden oder nicht. Wir eröffnen die Ausstellung in Zürich und wir feiern gemeinsam mit den Koordinatorinnen, den vielen freiwilligen Helferinnen, Spenderinnen und Sponsoren und Unterstützenden dieses verrückte Projekt, das die Welt vielleicht etwas wärmer macht.
Maren Haartje und Rebecca Vermot, die Projektmanagerinnen
Stolpersteine – ein Erfahrungsbericht auf einem spannenden Weg!
Christine Menz
Das Ziel der Initiative ist klar. Den Weg dorthin kennen wir nicht. Wir müssen ihn suchen und stoßen an Grenzen. Die Koordinatorinnen der verschiedenen Weltregionen sind für uns die wichtigsten Wegweiser. Sie helfen uns – über ihre Netzwerke, über ihre je unterschiedlichen kulturellen Erfahrungen, viele zu Nominationen zu bewegen und die 1000 Frauen zu finden. Werden es die "Richtigen“ sein? Was ist mit jenen, die wir nicht finden? Mit jenen, die vergessen gehen?
Zu den wichtigen Bewährungsproben gehört die gemeinsame Friedensdefinition. Mit den Wissenschafterinnen einigen wir uns auf ein breit angelegtes Friedensverständnis, das auf menschlicher Sicherheit und Würde beruht. Aber auch die Nominationskriterien sollen messbar, verständlich und umfassend sein. Hier wird uns einmal mehr bewusst, wie sich die kulturelle Unterschiede auch in der Sprache äußern. Was beinhaltet "beispielhaft“ auf Fidschi, was "transparent“ in Westafrika? Was bedeutet "nachhaltig“ auf den Philippinen und was "gewaltlos“ in Bosnien und Serbien? Solche Erfahrungen sind Stolperstein und Lernprozess gleichzeitig.
Überhaupt – die Kommunikation! Englisch ist unsere gemeinsame Sprache. Doch nicht alle Koordinatorinnen sprechen und verstehen Englisch. So sind Deutsch, Englisch, Französisch, Russisch und Spanisch die Sprachen im Koordinatorinnenteam. Kompetente Übersetzerinnen helfen uns und wir gewöhnen uns daran, genau hinzuhören, zu verstehen und es gelingt – das Vertrauen trägt!
Nicht überall nimmt man unser Projekt positiv auf. Grenzen, wo Regierungen unser Projekt manipulieren oder politisch unakzeptable Bedingungen stellen, gilt es sorgfältig zu überwinden. Sollen wir auf Nominationen verzichten, wo Frauen in einem offensichtlichen Gewaltumfeld tätig sind? Wir wollen keine Frau in Gefahr bringen - also abwägen? "Anonyma“ steht stellvertretend für die Geschichten dieser mutigen Frauen.
Finanzen sind wohl der größte Stolperstein! Wer gibt Geld für ein so verrücktes, quer zum Mainstream stehendes Projekt? Das Projekt ist nicht gratis – die Koordinatorinnen müssen vor Ort alimentiert werden mit dem Nötigsten, Reisekosten müssen bezahlt werden, es braucht eine verlässliche, wenn auch sparsame Infrastruktur in der Schweiz! Das Buch, die Ausstellung, das Internet kosten! Wir machen Besuche bei potenziellen Sponsoren, wo wir schlicht ausgelacht oder für größenwahnsinnig erklärt werden, wo wir mit Entschuldigungen jedweder Art abgespeist werden – selbst befreundete Organisationen lehnen ab. Und es gelingt doch! Es ist einmal mehr das Engagement vieler einzelner Menschen, Gruppen, die mit dem Kauf von Aktien und der Übernahme von Patenschaften unseren Boden legen. Unzählige Gespräche, Gesuche, überzeugende Telefonate, Kulturveranstaltungen, Referate, Besuche und immer wieder das Feuer der Überzeugung schaffen einen brüchigen und doch ermutigenden Rahmen. Vertrauen in die Kraft der Idee und unendliches Engagement - anders sind wohl solche globalen Ermutigungsprojekte nicht zu finanzieren auf unserer Welt – und das Risiko bleibt, das Risiko nicht soviel leisten zu können, wie wir es möchten!
Unsere Befürchtungen, die tausend Nominationen nicht zusammenzubringen, verfliegen. Mitte letzten Jahres liegen 2000 Nominationen aus rund 150 Ländern vor. Aber da ist gleich der nächste Stolperstein: Wie können wir allen Frauen gerecht werden? Leisten nicht alle diese FriedensFrauen beeindruckende Arbeit? Wie die Liste gestalten? Mit den Koordinatorinnen organisieren wir in den jeweiligen Regionen Advisory Boards, die nach einem transparenten Verfahren bestimmen, welche Namen letztlich auf der Liste stehen. Wie bei jeder Auswahl gibt es Enttäuschungen, Erklärungen, Verständnis und Unverständnis. Ab und zu kommen Zweifel auf, ob wir Zugang zu den richtigen Netzwerken haben. Eine Sorge bleibt bis zum Schluss bestehen: Stimmt unsere Auswahl? Sicher ist, wir haben nach bestem Wissen und Gewissen, mit den Informationen, die uns zur Verfügung stehen, die Auswahl getroffen! Gibt es Fehlentscheide? Diese müssen wir verantworten - ausschließen können wir sie bei einem globalen Projekt, der großen Zahl von Nominationen und in der verfügbaren Zeit nicht.
Die Veröffentlichung der Nominationen am 29. Juni 2005 in weltweit 43 Medienkonferenzen ist der nächste Stolperstein! 24 Stunden lang werden überall auf der Welt FriedensFrauen und ihre Arbeit vorgestellt. Die Medien befassen sich ganz konkret mit Frieden, Regierungen müssen zur Kenntnis nehmen, dass auch in ihren Ländern FriedensFrauen am Werk sind. Aber - stimmt der Zeitpunkt, ist es zu früh, wie beeinflussen wir dadurch die Chancen für den Friedensnobelpreis? Wir wagen den Schritt – er ist richtig! Ein Tag voller Kraft, voller Hoffnung!
Drei Jahre sind wenig Zeit für dieses verrückte, weltweite Projekt. Trotz aller möglicher Stolpersteine schaffen wir es! Dank dem Commitment vieler Frauen, die sich für drei Jahre mit einem über jedes normale Arbeitspensum hinausgehenden Engagement für das Projekt verpflichten! Wir spüren die Kraft des Vertrauens, sind über Kontinente hinweg vernetzt, sind neugierig und räumen Stolperstein um Stolperstein aus dem Weg – das gibt Schwung!. Die gemeinsame Verantwortung, gegenseitige Wertschätzung und Verlässlichkeit sind denn auch die tragenden Pfeiler des Erfolgs.
Christine Menz
Vorstandsmitglied des Trägervereins
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